ZU:FLUCHT

Eine kooperative Ausstellung am Anhalter Bahnhof in Berlin

Hinter den mahnenden Ruinen des Anhalter Bahnhofs öffnet sich heutzutage eine Freifläche, wie eine Leerstelle. Ein Nicht-Ort, der dem mahnenden Portal Raum lässt. Ein Ort an dem EXIL Stadt finden kann – die Frage war und ist nur, in welcher Form.

Das Natural Building Lab der Technischen Universität Berlin (NBL) lud uns ein, im Rahmen eines Lehrauftrages unsere Expertise in das geplante Ausstellungsprojekt mit der Stiftung Exilmuseum und der Habitat Unit der TU Berlin einzubringen. Der spannenden Aufgabe mit den NBL*erinnen aus sechs Containern, die ehemals Geflüchtete beherbergten, themen-sensibel eine temporäre Ausstellung zum Thema »Exil« entstehen zu lassen, nahmen wir uns gerne an. Sahen wir doch im Spannungsfeld aus dem städtischen Entsorgungsproblem tausender Container, dem historischen Thema mit drängendem Zeitbezug sowie der temporären Nutzungsmöglichkeit der Fläche am Anhalter Bahnhof großes Potential. Durch die Kooperation entwickelte sich gleichermaßen ein Auftrag der Stiftung, eine neue Gestaltung für die entstehende Ausstellung der verschiedenen Institutionen zu entwickeln.

Denkt und arbeitet man mit den zukunftsgewandten Köpfen des NBL-Studios auf Lehrender- und Lernender-Ebene zusammen, wähnt man sich nach einiger Zeit in enger Komplizenschaft für innovative urbane Praxis. Das Team aus Studierenden formierte sich selbst als Kollektiv und entwickelte vielgestaltige Konstruktionsmethoden mit den ehemaligen Wohncontainern umzugehen, um den Anforderungen der verschiedenen vorgegebenen Ausstellungsbereichen gerecht zu werden. Gemeinsam entstand die Idee eines aktivierenden »Platzhalters«, der nicht nur das zukünftige Exilmuseum erlebbar macht, sondern gleichzeitig bestehende Communities am Ort des Geschehens einbezieht und aufmerksamkeitsstark im Prozess kommuniziert. Als »Studio dazwischen« kalkulierten, gestalteten und planten sie die Umsetzung ebenso wie eine teilweise Bespielung und Nachnutzung der temporären Ausstellung mit oder besser für »Die Stiftung Exilmuseum Berlin«.
Beobachtete man die Macht-demonstrierende Haltung mit der erfahrene Ausstellungsmacher*innen der Stiftung in so einer Hochschulkooperation agierten, hofft man nicht nur auf Erkenntnislust bei ebendiesen, sondern sehnt sich an dieser Stelle bereits nach Diskussionen über Ausbeutungsmodelle und nach Kooperationsverträgen.
Mit der Kraft des Kollektiven gelang es dem Studio nichtsdestotrotz eine mehr als gelungene Ausstellung mit dem Titel »ZU/FLUCHT« hinter dem Anhalter Bahnhof zu realisieren. Eine Ausstellung vor deren Planer*innen und Erbauer*innen wir einen imaginären Hut ziehen möchten, nicht nur wohlwissend des anstrengenden Prozesses, sondern vor allem weil es keine Architektur gibt, die zeitgenössischer hätte das Thema »Flucht« öffentlich erlebbar machen können.

»Flucht und Exil, damals und heute« ist ein wichtiges Thema, zu dem die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller in einem offenen Brief bereits schreibt: »Erzählt man von den Geschichten damals, versteht man auch die Menschen besser, die heute in Deutschland Zuflucht suchen.«. Dem können wir nur zustimmen. Doch liest man den daran anschließenden Satz fast als Versprechen »Auch von ihnen wird das Exilmuseum als Ort der Gegenwart erzählen.«. Ein Versprechen, dass man im kuratorischen Konzept der Stiftung gern noch viel tiefer verankert wüsste. Bei der Ausstellung »ZU/FLUCHT« wurden mit der Gewichtung 6:1 für Flucht in der Vergangenheit die inhaltlichen Stiftungsprioritäten augenscheinlich. Bleibt zu hoffen, dass im Museumsneubau wider Erwarten andere Maßstäbe gesetzt werden.

Zum Schluss wollen wir nochmal einen Blick an den Anhalter Bahnhof werfen. Denn für diejenigen, die zu den umjubelten Vorhaben ein Exilmuseum in Berlin zu realisieren, auch den ersten Platz des Architektonischen Entwurfs kennen, erfährt der Raum hinter dem Anhalter Bahnhof gedanklich bereits durch die imposanten wie massiven Renderings des renommierten dänischen Büros »Dorte Mandrup« einige Verschattungen. Die temporäre Bespielung des Ortes, hat die Stiftung in jeder Hinsicht dem Neubau näher gebracht. An dieser Stelle schwingen wir deshalb die Protestschilder auch einmal kurz Richtung NBL, die bei den Klimastreiks ebenfalls anwesend sind und lesen auf den ihrigen »Baustopp jetzt«.

Ein in vieler Hinsicht lehrreiches Projekt.

Projektpartner*innen

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